Kreta

Hochsensibilität: Wenn deine Social Battery rot blinkt

Hier sitze ich an einem Sonntagmorgen, ärgere mich über die gestohlene Stunde der Zeitumstellung und tippse diesen Beitrag. Seit Wochen, hm… ja fast seit Monaten blinkt meine Social Battery tiefrot. Das heisst ich hab keine Energie auf Menschen – keine Kraft, mich mit anderen auszutauschen, aber v.a. keinen Bock darauf zu erzählen wie es mir geht. Ich sage tatsächlich regelmässig Termine mit Freunden ab und versuche meine Weekends so leer wie nur irgendwie möglich zu halten. Denn ein voller Terminkalender löst aktuell schon beim Anschauen eine Minikrise aus. Aber anstatt mich deshalb mal wieder in sämtliche Teile zu zerpflücken (hesch dini Energie scho weder ned im Greff?! und wart nor, bald send all Frönde eh verfloge!), versuche ich diese Phase einfach mal so anzunehmen und zu beobachten. Denn es lohnt sich, auf seine Social Battery auch zu hören.

Ich kenne diese Phase des Zu Hause Hockens und im Bett Verbuddelns nur zu gut. Meistens hat es mit einer depressiven Verstimmung zu tun. Nämlich dann, wenn ich in den irdischen Aufgaben, die mir das Leben gerade so stellt, mal wieder keinen wirklichen Sinn oder Aussicht auf Erfolgt erkennen kann. Aber dieses Mal fühlt es sich anders an. Ich bin durchaus aktiv – im Radius unserer Wohnung. Kein verzweifeltes im Bett Verbuddeln und kein Die-Welt-ist-so-verschissen-Denken. Es ist nicht meine Lebensgeister-Ampel, die auf rot steht, es ist nur meine soziale Batterie. Menschen im Büro und der geliebte Ehemann, kombiniert mit SMS und Whatsapp mit Freunden muss momentan genügen. Es ist nicht so, dass es mich nicht interessiert, wie es meinen lieben Freunden geht, aber mein Gefühls-Schwamm ist vollgesogen. Es passt nichts mehr rein.

Das aktuelle Gegenmittel

Was ich denn die ganze Zeit mache, statt rauszugehen und meine Freunde zu treffen? Ich häkle! Und das wie eine Verrückte. Seit Ende Novemer 2017 geht jede freie Minute für’s Häkeln drauf und im Büro kann ich es jeweils kaum erwarten nach Hause zu kommen. Denn es wartet ja die Häkelnadel. Ja, mein lieber Mann kriegt mich seither noch weniger zum Kochen. Dafi scho afo höögle?? Anyway. Ich häkle also. Ich häkle und häkle und häkle. Bis Weihnachten waren es 11 Mützen, 2 Stirnbänder, 1 Schal, 2 Topflappen, 1 Kissenbezug und seit dem Neujahr das mit den Mützen temperaturtechnisch immer weniger Sinn macht, häkle ich Oktopüssli für Frühchen in meiner heimischen Massenproduktionsstätte. Die Oktopüssli (jaja, Oktopoden) kommen frühgeborenen Babies zur Beruhigung zu gut und ich kann nach Lust und Laune weiterhäkeln ohne Berge von unnützen Mützen zu produzieren. Das Gute daran? Ich muss nicht reden. Und die Social Battery hört auf zu blinken.

Oktopus für Frühchen

Bin ich jetzt anti-social??

Bin ich jetzt ein egoistischer Mitmensch und schlechte Freundin? Muss ich Angst haben, vielleicht doch wieder in eine Depression abzurutschen, weil ich bald alle um mich rum vergrault habe und die frische Luft nur noch durch das Stubenfenster konsumiere? Gut möglich. Sicherlich muss ich mich darauf achten, dass mich meine Füsse bald wieder an die frische Luft schleppen, die Sonne meinen Vitamin-D-Akku wieder auffüllt, ich weiterhin richtig esse und genügend trinke (warst du schon mal depressiv, weisst du wie wichtig diese Basics sind). Aber gopf – ich will mich nicht schlecht fühlen, nur weil ich aktuell genüsslich häkle! Die häkelnde Ruhe entspannt mich total und sie tut gut. Rausgehen, Zuhören und Reden ist momentan einfach verdammt anstrengend. Und doch, ich habe meinen Freunden so viel Liebe zu geben. Diese müssen sie ja auch bald mal wieder live von mir kriegen!

Fazit: Die Balance macht’s

Das Wichtigste an der Geschichte ist die Balance, d.h. Kraft und Energie für den Alltag zu haben und ab und zu halt auch mal tot rumliegen, weil ich mich genüsslich mit Freunden amüsiert hab. (Jap, mit Hochsensibilität passiert das auch ganz ohne Alkohol.) Ich will nicht sagen, dass ich diese Balance immer bestens im Griff hätte. Aktuell schwingt mein Pendel definitiv relativ stark auf die egoistische und selbstschützende Seite. Gute Freunde verstehen das aber zum Glück. Und doch – Enttäuschung ist da. Übrigens von beiden Seiten. Ich wäre ja auch gern anders! Aber soll ich mich deswegen ständig schlecht fühlen, nur weil ich solch ein Hypersensibelchen bin? NEIN!  Ich will lernen mich auch mit meinen Schwächen zu mögen. Und darum nehme ich alles gerade hin wie es ist.

Sonne. Sonne!

Pünktlich zu diesem Blogpost zeigt sich nun aber auch die Sonne, die Natur erwacht und es wird wärmer. Ein Lichtstrahl in meinem Batterien-Management! Ich hoffe sehr mit der Sonne und den wärmeren Temperaturen automatisch wieder zu mehr Energie zu kommen. Um wieder raus zu gehen, und eben, um Freunde zu treffen. Und bis dahin häkle ich halt noch ein paar Oktopüssli.

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2 Comments

  1. Nicole 26. März 2018 at 11:16 - Reply

    Deine neue Blogausrichtung ist wunderbar! In mir hast du garantiert eine Stammleserin, weil ich mich in so vielem selber erkenne und gespannt bin, wie andere damit umgehen. Die Social Battery ist auch bei mir ein Thema. <3 und ja manchmal muss man einfach genüsslich häkeln, oder anderes tun. Was meinem halt einfach grad gut tut. Vernünftige Abgrenzung ist der Schlüssel zum besseren Umgang mit sich selbst – finde ich.

    • Lila 26. März 2018 at 11:23 - Reply

      Liebe Nicole – Herzlichen Dank für deinen Kommentar (übrigens der erste auf dem neuen Blog:-)). Wie du es sagst, gesunde Abgrenzung, darum geht’s. Auch ich bin immer gespannt, wie andere mit diesen Themen umgehen. Ich freue mich wirklich sehr, dass du weiterhin mit dabei bist. :-*

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