Schwächen

Ich spreche öffentlich über meine Schwächen: WAS FÄLLT MIR EIGENTLICH EIN?!

Immer wieder fällt mir auf, dass von mir erwartet wird, dass ich meine Schwächen verstecke. Herr und Frau Schweizer reden nicht über Schwächen. Teppich löpfe, drunter mit den Schwächen, Teppich weder druff. Und dann bitteschön auch beim Frühlingsputz nicht hervorholen. Yogawicki klärt uns wenig liebevoll auf, dass das Wort ‚Schwäche‘ vom Adjektiv ’schwach‘ stammt, also kraftlos, dünn oder wenig gehaltvoll bedeutet. Und das Adjektiv ’schwach‘ wiederum kommt vom Mittelhochdeutschen ’schwach‘ und bedeutet schlecht, gering, unedel, niedrig, kraftlos, armselig. Na prost, da steht’s jetzt sogar schwarz auf weiss: Eine Schwäche ist etwas schlechtes, das offensichtlich in jedem Fall vermieden werden muss! Und uiuiui, hoffentlich hast du nicht zu viele Schwächen, denn sonst passen die ja niemals alle unter den Teppich! …Bäh, so ein Müll!! Schwächen hat JEDER, es gibt sie in allen Formen und Variationen und Schwächen machen uns zu dem was und wer wir sind und wer unsere Schwächen nicht akzeptieren kann, ja der akzeptiert auch uns nicht. Denn z.B. mich – mich gibt’s nur mit meinen Schwächen und über diese spreche ich auch.

Wer mich nun nach meinen Schwächen und Stärken fragt, der wird schnell erfahren, dass meine grösste Schwäche auch gleichzeitig meine grösste Stärke ist. Ich bin sowohl hochsensibel, wie auch perfektionistisch und obwohl mich diese Charakterzüge regelmässig vor grosse Herausforderungen stellen und mich manchmal regelrecht lähmen und ich komplett vom Gas runter muss, um meine Balance nicht zu verlieren, so sind es auch genau diese Eigenschaften, denen ich so vieles zu verdanken habe, was ich den letzten 5 Jahren alles erreicht habe. Der Unterschied liegt darin, dass ich heute weiss, wie ich mit meinen Schwächen umgehen muss, damit ich sie als meine Stärken einsetzen kann. Unter dem Strich geht’s wie immer darum, sich selber zu akzeptieren und so anzunehmen wie man ist. Mit allem drum und dran.

Anfangs dieser Woche habe ich auf meinem privaten Facebook Profil eine Frage gestellt. Und zwar habe ich gefragt, wie andere mit Menschen in ihrem Umfeld umgehen, die nur darauf warten, dass man versagt und die einen auch verbal angreifen. Ich habe ganz ehrlich geschrieben, dass ich in solchen Situationen heute noch oft wütend und verletzt reagiere, auch wenn ich genau weiss, dass dies keineswegs hilfreich ist und ich mir in dem Moment ein Problem, das eigentlich mein Gegenüber mit sich selber hat, zu meinem eigenen Problem mache. Aus Neugierde wollte ich dennoch wissen, wie andere Leute, die nicht denselben Hintergrund haben wie ich, mit dieser Situation umgehen. Und dann wurde ich überrascht von zahlreichen Kommentaren und persönlichen Nachrichten! Ich bekam auf liebste Art und Weise Tipps, aufmunternde Worte und wurde motiviert, nicht aufzuhören, mich nicht irritieren zu lassen und dass man Neid nur für harte Arbeit erntet. Ich fand es schön, offen zu sein, ehrlich zu sein und über dieses Thema so öffentlich reden zu dürfen.

Aber ich bekam auch Kritik – ich solle doch einfacher selbstbewusster sein, es läge doch nur an mir, wie ich auf solche Bemerkungen reagiere und somit läge doch alles in meiner eigenen Hand! Mein Mann hat dieses Verhalten heute morgen das Fitnesstrainer-Syndrom genannt: „Das ist wie ein Fitness-Trainer, der dich auch völlig tot am Boden liegend noch anschreit: „Loooos, weiter, sei keine Memme, du willst nicht mehr schwach sein!!“

Plötzlich war mir die viele Aufmerksamkeit zu meinem Facebook Post unangenehm. Ui, was denken die jetzt alle von mir… „Die het jo gar kei Selbstbewusstsii, dass sie alles so persönlich nimmt!“ Aber ganz ehrlich, ist das nicht scheiss-egal?? Ich stehe dazu, dass es Momente gibt, in denen ich mir wünschte meine Stärke wäre nicht gleichzeitig auch meine grösste Schwäche! Denn dann wäre ich nicht so angreifbar von Menschen im meinem Umfeld. Aber ich habe es in den letzten Jahren geschafft, meinen Perfektionismus nicht nur als Last zu empfinden, sondern ihn in meinem Alltag und in meinem Arbeitsumfeld positiv einzusetzen und heute erreiche ich nun plötzlich Dinge, die früher unvorstellbar waren. Ich kann mein Umfeld viel intensiver wahrnehmen, Spannungen lösen, Abläufe reibungsloser gestalten, empfinde besonders viel Empathie und habe eine enorme Fähigkeit Situationen zu analysieren. Und solange mir diese Erkenntnisse so gut tun, werde ich weiter über meine Schwächen sprechen und die Menschen in meinem Umfeld motivieren, sich selber auch zu akzeptieren und Vollgas zu geben in dem was sie glücklich macht – es lohnt sich so sehr!

Eure Sara

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